In einer qualitativ angelegten empirischen Untersuchung wird der Frage nachgegangen, inwieweit die formal signalisierte und die tatsächliche Authentizität einzelner Redewiedergaben übereinstimmen oder differieren. Dazu werden zehn journalistische Interviews per Tonband aufgezeichnet und transkribiert. Mit Hilfe einer Input-Output-Textanalyse können dann die verschriftlichten Quasi-Originaläußerungen der Interviewten (Sprecher) mit den Nachrichtentexten verglichen werden, um Richtigkeit und Vollständigkeit der Redewiedergaben zu überprüfen. Durch anschließende Leitfadenbefragungen von Interviewern (Kommunikatoren) und Sprechern wird herausgefunden, wie die journalistischen Vermittlungsleistungen wahrgenommen und beurteilt werden.
Grundlegend ist die Annahme, dass die Qualität der Redewiedergabe als Tatsachenbehauptung maßgeblich durch ihren Wahrheitsgehalt bestimmt wird. Der Begriff Authentizität verweist dabei auf den Autor der ursprünglichen Sprechhandlung. Der Sprecher entscheidet prinzipiell darüber, was er wann und wie öffentlich äußert, denn das bestimmt das Bild seiner Persönlichkeit in der Öffentlichkeit. Somit enthält der dem Begriff Authentizität wesenseigene Urheberverweis den entscheidenden Hinweis für eine Operationalisierung: Die Zustimmung des Sprechers, der seine tatsächlich artikulierten Intentionen zum Zeitpunkt der Ausgangsrede ehrlich reflektiert, ist ein Indikator für die Authentizität der Redewiedergabe.
Ein zentrales Ergebnis der Arbeit ist, dass alle befragten und durch die Untersuchung gleichsam überprüften Kommunikatoren mehr oder weniger gegen die Grundnorm des Journalismus verstoßen, wahrheitsgetreu zu berichten. Fast alle Kommunikatoren erlauben es sich, Rede prägnant verkürzt wiederzugeben. Die wortlautgetreue Zitierung ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Erstaunlich ist, dass alle befragten Kommunikatoren ihre großen und kleinen Manipulationen mehr oder weniger offen zugeben.
Fragt man die Sprecher, wie sie die Reformulierungshandlungen der Kommunikatoren bewerten, zeigen sie sich meist erstaunlich tolerant und spontan zufrieden mit der Darstellung ihrer Ausgangsreden. Sie stimmen nachträglich etwa auch Passagen zu, in denen ihre ursprünglichen Äußerungen teilweise radikal verändert reformuliert werden. Den Sprechern geht es vor allem um wohlwollende Berichterstattung, weniger um Detailtreue.
Autorisierungsvereinbarungen sind unüblich. Ein anderer Grund für ungenaue oder falsche Zitierungen ist, dass die meisten Kommunikatoren keine Tonbandgeräte benutzen und sich während der Interviews nur Notizen machen.
"30 goldene Zitierregeln" sollen den Journalisten den Weg zu einer authentischeren Wiedergabe von Rede weisen. Den Vermittlungsprofis wird unter anderem empfohlen, grundsätzlich Tonbandgeräte zu benutzen und im Zweifelsfall Zitatenberichte autorisieren zu lassen. Der Einsatz von Anführungszeichen erfordert eine wortlautgetreue Zitierung, in der lediglich sprechsprachliche Defizite korrigiert werden. Die durch bestimmte Redewiedergabeformen signalisierte Authentizität sollte auch tatsächlich erfüllt sein.
Den Sprechern wird empfohlen, nicht zu nachsichtig mit den Kommunikatoren zu sein und ihnen öfter Rückmeldungen zu ihren Reformulierungshandlungen zu geben. Den Lesern wird schließlich nahe gelegt, nicht allzu gutgläubig alle Redewiedergaben per se als wahrheitsgetreue Tatsachenbehauptungen aufzufassen.
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