Die Schätzung eines solchen MIMIC-Modells erfolgte bisher meist von einer frequentistischen Sichtweise aus. LISCOMP (Muthen, 1988) und MECOSA 3 (Arminger, Wittenberg & Schepers, 1998) sind weitverbreitete Programme, die solches leisten. Die Schätzung der Parameter beruht dabei auf dem Likelyhood-Prinzip. Da aber die vollständige Likelyhoodfunktion eine komplizierte Struktur aufweist, werden approximative oder Pseudo-ML-Schätzungen bzw. gewichtete oder ungewichtete Kleinste-Quadrat-Schätzungen im Rahmen eines mehrstufigen Schätzverfahrens benutzt. Diese Methoden haben allerdings für kleine oder mittlere Stichprobenumfänge in Kombination mit vielen Variablen oder Parametern den Nachteil, daß sie auf asymptotischen Schlüssen beruhen.
Deshalb wird der frequentistische Rahmen verlassen und eine bayesianische Modellanalyse in den Mittelpunkt gerückt. Für das MIMIC-Modell mit ordinalen und stetigen Indikatoren sowie festen Effekten wird ein Schätzalgorithmus entwickelt, der sich auf den Gibbs-Sampler stützt. Die Parameterschätzungen basieren auf der posteriori-Verteilung der Parameter und können aus den Stichprobenwerten berechnet werden, die der Gibbs-Sampler liefert. Außerdem können die individuellen Faktorenwerte a posteriori ermittelt werden. Ferner ist es möglich, Vorkenntnisse über die Parameter in Form von priori-Verteilungen in die Modellschätzung einzubringen.
Frequentistische und bayesianische Schätzmethoden werden einander vergleichend in Simulationsstudien gegenübergestellt. Die Ergebnisse zeigen beispielsweise, daß der bayesianische Schätzer den frequentistischen Methoden hinsichtlich Effizienz überlegen ist. Außerdem werden die bayesianischen Standardabweichungen korrekt angegeben, während die frequentistischen Standardfehler in der Regel zu niedrig geschätzt werden.
Neben der Modellschätzung werden bayesianische Modelldiagnoseverfahren besprochen, die in jüngster Zeit entwickelt wurden. In dieser Arbeit werden das Posterior-Predictive-Verfahren (z.B. Gelman, Meng & Stern, 1996), das DIC-Kriterium (Spiegelhalter, Best & Carlin, 1998) und Verfahren zur Analyse der latenten Residuen (Gelman, Goegebeur, Tuerlinckx & Van Mechelen, 1998) diskutiert.
Bayesianische und frequentistische Verfahren finden eine empirische Anwendung im Rahmen der Analyse eines Datensatzes, der in Zusammenhang mit einer Studie zum Wandel des elterlichen Konfliktlösungsverhaltens erhoben wurde. Zur Untersuchung der Frage, ob sich der Umgang mit Konflikten von Eltern im Zuge der soziohistorischen Veränderungen der letzten 50 Jahre gewandelt hat, wird ein MIMIC-Modell spezifiziert, das neben einer Modellschätzung auch im Hinblick auf die Modellanpassung eingehend analysiert wird. Weiter wird untersucht, welche Auswirkungen es hat, wenn das ordinale Meßniveau der erhobenen Daten ignoriert wird und so getan wird, als ob stetige Variablen vorliegen, wie es in der Praxis häufig der Fall ist. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die soziologische Theorie als Hintergrund für die untersuchte Fragestellung und die sinnvolle Interpretation der gefundenen Ergebnisse.
Literatur:
Arminger, G., Wittenberg, J. & Schepers, A. (1996). MECOSA 3 USER
GUIDE, Friedrichsdorf/Ts.: ADDITIVE GmbH.
Browne, M. W. & Arminger, G. (1995). Specification and Estimation of
Mean- and Covariance-Structure-Models. In G. Arminger,
C. C. Clogg & M. E. Sobel (Hrsg.), Handbook of Statistical
Modeling for the Social and Behavioral Sciences (S. 185-249).
New York: Plenum Press.
Gelman, A., Goegebeur, Y., Tuerlinckx, F. & Van Mechelen, I. (1998).
Diagnostic Checks for Discrete-Data Regression Models Using
Posterior Predictive Simulations. Unveröffentlichtes
Manuskript, Columbia University, New York.
Gelman, A., Meng, X.-L. & Stern, H. (1996). Posterior Predictive
Assessment of Model Fitness Via Realized Discrepancies (with
Discussion). Statistica Sinica, 6, 733-807.
Muthen, B. O. (1988). LISCOMP: Analysis of Linear Structural Equations
with a Comprehensive Measurement Model (2. Auflage).
Mooresville: Scientific Software, Inc.
Spiegelhalter, D. J., Best, N. G. & Carlin, B. P. (1998). Bayesian
Deviance, the Effective Number of Parameters, and the
Comparison of Arbitrarily Complex Models. Research Report
98-009, Division of Biostatistics, University of Minnesota.
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