Computergestützte Telefoninterviews als Instrument der sozial- und verhaltensepidemiologischen Gesundheitsforschung
Rolf Weitkunat
ISBN 978-3-89722-161-1
260 pages, year of publication: 1999
price: 45.00 €
Der theoretische Teil ist thematisch in eine kritische Darstellung der
traditionellen Methoden der befragenden Gesundheitsforschung (persönliche,
schriftliche und telefonische Befragung), einen Überblick über
computerassistierte Telefoninterviews (CATI) sowie eine Einführung in
theoretische Konzepte gesundheitsbezogener Lebensstile gegliedert. Die
Darstellung der Methodik und technischen Infrastruktur zur Durchführung
computergestützter Telefoninterviews ist durch Erläuterungen im Anhang
ergänzt. Dieser referiert neben stichproben-, kommunikationstheoretischen
sowie befragungstechnischen Themen auch die Methodik von auf
Sprachverarbeitung basierenden (automatisierten) Telefoninterviews. Den
Hauptteil des empirischen Teils stellen Ergebnisse zur Struktur und Dynamik
gesundheitsbezogener Verhaltensmuster dar. Ergänzend werden zwei methodisch
orientierte Studien zur automatisierten telefonischen Datenerhebung
vorgestellt.
Die theoretisch begründete und empirisch bestätigte Position zum
Forschungsfeld gesundheitsbezogene Lebensstile kann in drei Punkten
zusammengefaßt werden:
- Gesundheitliche Lebensstile werden begrifflich und operational von
Lebensbedingungen getrennt.
- Der Lebensstil-Begriff wird bei der Bearbeitung empirischer
Fragestellungen aus forschungspragmatischen Gründen konzeptuell auf
gesundheitsbezogene Verhaltensmuster eingeengt.
- Gesundheitsbezogene Verhaltensmuster werden im Rahmen weitergehender
verhaltensepidemiologischer Analysen um strukturelle, soziale und
psychologische Faktoren ihrer Ausübung ergänzt.
Der dargestellte Ansatz zur Erforschung gesundheitsbezogener
Lebensstile/Verhaltensmuster befindet sich in weitgehender inhaltlicher und
formaler Übereinstimmung mit den dominanten Strömungen der modernen
Epidemiologie und ergänzt diese um ein erweitertes
verhaltensepidemiologisches Forschungsprogramm.
Die mit multivariaten Methoden im Datensatz der Hauptstudie identifizierten
gesundheitsbezogenen Verhaltensmuster waren für den Zeitraum der
Studiendauer weitgehend stabil, der Stabilitätsgrad war nicht mit
Lebensereignissen im Untersuchungszeitraum assoziiert. Zu einigen der
untersuchten Einflußgrößen standen die gefundenen Muster in spezifischer
Beziehung. Ein Erkenntnisfortschritt liegt darin, daß verhaltensbezogene
Gesundheitsrisiken nicht nur solitär - Rauchen, Alkoholkonsum,
Bewegungsmangel usw. - sondern in ihren Konfigurationen beschrieben werden.
Damit werden einerseits Personen mit gesundheitsrelevanten
Verhaltensgewohnheiten zu genau spezifizierten Gruppen typologisiert,
andererseits einzelne Risikoverhaltensweisen differenziert, indem sie
unterschiedlichen Verhaltenskontexten zugeordnet werden.
Die Ergebnisse bestätigen die im theoretischen Teil vorgenommene
Einschätzung, wonach die CATI-Methode traditionellen Verfahren hinsichtlich
zahlreicher Effektivitäts- und Effizienzkriterien, unter anderem im Hinblick
auf die Datenqualität sowie auf administrative, ökonomische und
anwendungspragmatische Kriterien, überlegen ist. Neben den bisherigen
Einsatzfeldern wie Meinungs-, Umfrage- und Marktforschung kann die
CATI-Methodik auch in der sozial- und verhaltensepidemiologischen
Gesundheitsforschung sowie möglicherweise im Rahmen von
Interventionsprojekten der Gesundheitsförderung, Gesundheitsaufklärung und
Prävention eingesetzt werden. Im Rahmen einer international zunehmend
standardisierten Gesundheitsberichterstattung werden telefonische
Primärdatenerhebungen eine erhebliche, wahrscheinlich zentrale Rolle
spielen.