Mathematische Modelle bilden eine unentbehrliche Grundlage in nahezu
allen Bereichen von Wissenschaft und Technik.
Immer häufiger werden auch Problemstellungen der organischen
Chemie durch mathematische Modellierung simuliert und gelöst.
Motivation ist dabei oft die Suche nach neuen Wirkstoffen und Materialien
mit angestrebten biologisch-pharmazeutischen oder
physiko-chemischen Eigenschaften. Wurde eine entsprechende Verbindung
synthetisiert und gefunden, besteht eine weitere wichtige Aufgabe darin,
die molekulare Struktur der oft noch unbekannten Substanz zu bestimmen.
Zu diesen Zweck verwendet man hauptsächlich spezielle physiko-chemische
Eigenschaften, die aus spektroskopischen Methoden gewonnen werden.
Bei der Suche nach neuen Wirkstoffen und Materialien finden immer häufiger Techniken der
kombinatorischen Chemie Verwendung. Dabei werden aus mehreren Sätzen chemischer Bausteine
sämtliche Kombinationen synthetisiert und anschließend auf ihre biologisch-pharmazeutische
Wirksamkeit getestet oder hinsichtlich angestrebter physiko-chemischer Eigenschaften untersucht.
Der enorme Vorteil dieser Methode besteht darin, dass sowohl die Synthese
als auch das Screening in hohem Maße automatisiert und parallelisiert werden kann.
Obwohl somit erstaunliche Durchsatzraten erzielt werden, mahnen Kosten- und Zeitgründe
zur gewissenhaften Planung und zur automatischen Auswertung derartiger Experimente.
Die Optimierung kombinatorisch-chemischer Experimente und die
automatisierte molekulare Strukturbestimmung werfen vielfältige
Probleme auf, die nach mathematischer Modellierung mit Hilfe von
algebraisch-kombinatorischen Konstruktionsalgorithmen,
graphentheoretischen Invarianten und statistischen Lernverfahren gelöst werden können.
Die entscheidenden Problemstellungen betreffen die
Strukturgenerierung:
In der kombinatorischen Chemie benötigt man Methoden, um virtuelle
kombinatorische Bibliotheken zu konstruieren. Meist werden solche
Strukturräume durch Reaktanden und Reaktionen definiert. In dieser
Arbeit werden Algorithmen zur reaktionsbasierten Strukturgenerierung
beschrieben.
Für die molekulare Strukturaufklärung werden Algorithmen verwendet, die
ausgehend von der Bruttoformel eines Analyten unter Berücksichtigung
struktureller Restriktionen mögliche Strukturformeln generieren können.
Strategien zur bruttoformelbasierten Strukturgenerierung werden vorgestellt.
Wichtige Methoden für beide Problemkreise bilden kanonische Nummerierung
und ordnungstreue Erzeugung.
Suche nach Beziehungen zwischen Struktur und Eigenschaft:
Um Eigenschaften für die Strukturen virtueller kombinatorischer Bibliotheken vorhersagen
zu können, verwendet man quantitative Struktur-Eigenschafts-Beziehungen (QSPR). Diese werden zuvor anhand einer tatsächlich synthetisierten und gescreenten
kleineren realen Bibliothek ermittelt.
Die computer-unterstützte molekulare Strukturaufklärung (CASE)
verfolgt das Ziel, ausgehend von spektroskopisch gemessenen Eigenschaften
einer unbekannten chemischen Verbindung ihre molekulare Struktur zu bestimmen.
Die mathematischen Werkzeuge für diese Aufgaben sind molekulare bzw.
spektrale Deskriptoren und statistische Lernverfahren.
Im ersten Teil der Arbeit werden die benötigten Modelle und Methoden beschrieben:
Die Darstellung von chemischen Verbindungen, molekularen Substrukturen und chemischen
Reaktionen, ordnungstreue und zielgerichtete Erzeugung zur bruttoformelbasierten
Strukturgenerierung, Kernstruktur-Ligand-Anlagerungen und Konstruktion nach dem
Netzwerkprinzip für die reaktionsbasierte Strukturgenerierung. Auf Seiten
des überwachten statistischen Lernens werden Klassifikation und
Regression durch lineare Modelle, künstliche neuronale Netze,
Support-Vektor-Maschinen, Entscheidungsbäume und k-nächste Nachbarn
vorgestellt.
Der zweite Teil enthält konkrete Anwendungen zu Problemstellungen aus der Chemie:
Kombinatorische Bibliotheken werden generiert, z.B. nach Ugis Siebenkomponentenreaktion.
Mit Hilfe von verschiedenen molekularen Deskriptoren (arithmetische, topologische und
geometrische Indizes, Substruktur-Vielfachheiten) und statistischen Lernverfahren
werden QSPR bestimmt,
verglichen und zur Vorhersage herangezogen. Problemstellungen sind dabei Siedepunkte von Decanen,
physikalische Dichten
von Propylacrylaten und die antibakterielle Aktivität von Quinolonen.
Die Untersuchungen zur CASE zielen auf die Interpretation und Verifikation von Massenspektren.
Rankingfunktionen für Brutto- und Strukturformeln werden definiert und getestet.
Verschiedene Klassifikationsverfahren zur Bestimmung von MS-Klassifikatoren werden
verglichen. Weiterführende Studien untersuchen u.a. die Möglichkeiten hochauflösender MS.
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