Die Diskussion um die Vermögenssteuer, die bis 1996 in Deutschland erhoben und dann als verfassungswidrig ausgesetzt wurde, wurde unter drei Hauptaspekten untersucht: Dem Zeitaspekt, dem Sozialaspekt und dem Sachaspekt. Der Zeitaspekt berücksichtigt die chronologische Entwicklung der Debatten, ihre quantitativen Höhen und Tiefen und die dafür ausschlaggebenden Anlässe. Der Sozialaspekt betont die Rolle der Sprecher und ihre Stellungen in den gesellschaftlichen Teilsystemen wie Politik, Ökonomie, Wissenschaft etc., ihre Anordnung gegenüber den politischen Entscheidungszentren und die Anordnung an den traditionellen Konfliktlinien der materiellen Verteilungsfrage. Der Sachaspekt drückt sich in Deutungsmustern aus, die Bleeker-Dohmen theoretisch und im Verlaufe von Probecodierungen des untersuchten Medienmaterials entwickelte und denen er die gesammelten Aussagen zuordnete.
Dieses Vorgehen erlaubt eine quantitative Auswertung der qualitativ entwickelten Deutungsmuster und damit Rückschlüsse auf die vorherrschenden Argumentationszusammenhänge. Dabei wurden verschiedene Deutungsmuster-Kategorien entwickelt. Als Ergebnis lässt sich im Zusammenhang mit dem Sachaspekt feststellen, dass die am häufigsten genannten Deutungen die angeblichen negativen Auswirkungen der Steuer auf Investitionen auf der Seite der Gegner, das der Solidarität sowie der Finanzierung der öffentlichen Haushalte auf Seiten der Befürworter waren. Insgesamt aber dominierten steuerrechtlich begründete Argumente, die sich auf das Vermögenssteuer-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995 stützten. Betrachtet man zusätzlich den Sozialaspekt, wird deutlich, dass die vorwiegend in der Parteipolitik und in den Medien geführte Debatte sich zwar an den traditionellen politischen Konfliktlinien zwischen Links und Rechts, Arbeit und Kapital orientierte, diese Konfliktlinien aber mit der Nähe zum Zentrum der politischen Entscheidungsorgane verwischten, vor allem in der Exekutive. Unter Berücksichtigung des Zeitaspektes wurde zudem deutlich, dass Sprecher aus traditionell die VermögensÂsteuer befürwortenden Parteien, also SPD und Grüne, mit der Übernahme regierungsverantwortlicher Positionen diese häufiger ablehnten und zunehmend strategisch argumentierten. Demgegenüber nehmen Sprecher, die den zentralen politischen Entscheidungsinstanzen weniger nahe stehen, eher Bezug auf eigene Überzeugungen.
Vor dem Hintergrund dieser fehlenden Lobby in den politischen Entscheidungszentren hatten die Vermögenssteuerbefürworter - zahlreichen, offenbar nur medialen Schaukämpfen dienenden Diskussionen zum Trotz - offenbar nie eine reelle Chance, ihr Vorhaben zu realisieren. Die Rhetorik der öffentlichen Diskussionsteilnehmer zeigte, dass es widersprüchliche Ansichten über eine gerechte und sinnvolle Verteilung des Reichtums in Deutschland gibt und diese auch kommuniziert werden. Letztlich aber dominierten immer stärker die überwiegend von Vermögenssteuerbefürwortern ins Feld geführten "Sachzwänge", die schließlich auch für die tatsächliche Aussetzung der Vermögenssteuer ausschlaggebend waren.
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